Italien, Sizilien
Datum: Jul. 1995, Jul./Aug. 1998
Gebiet: Kap Ógnina, Untiefe: Secca di Ógnina
Typ: Survey, Hebung
Ziele: Neuuntersuchung der Fundstelle Ógnina IV, Hebung eines steinernen Ankerstockes aus dem 5. Jh. v. Chr.
Projektleitung: Dr. Hanz Günter Martin
Projektpartner: Soprintendenza Syrakus, syrakusanischer Tauchclub CSS
Veröffentlichungen:
- Kapitän, G. Le anfore del relitto romano di Capo Ognina (Siracusa), in: Recherches sur les amphores romaines. Collection de l’Ecole Francaise de Roma 10 (Rome 1972) S. 43-252.
- Kapitän, G.; Naglschmid, F. A 4th century BC dispersed Amphora Cargo on the Secca di Capo Ognina, Siracusa, Sicily (Site Ognina 4), in J. Blanchard, J. Mair, I. Morrison: Proceedings of the Diving Science Symposium. 6th International Science Symposium of CMAS, 14.-18. Sept. 1980 in Edinburgh. Natural Enviroment Research Council (1982) S.229-239.
- Kapitän, G. Die Entstehung der Anker, in: DEGUWA-Rundbrief 10.
- Martin, H. G. Ognina 4. Ein vorläufiger Grabungsbericht, in: DEGUWA-Rundbrief 10, (Pretzfeld, 1995) S.13-23.
- Runde, I. Bericht zur unterwasserarchäologischen Kampagne Ógnina IV vom 14.07. bis 29.07.1995 auf Sizilien, in: DEGUWA-info III (1995) S.1-4.
Kurzberichte:
Kurzbericht: Sizilien 1995
Verfasser: Dr. Ingo Runde
Inhalt folgt demnächst.
Kurzbericht: Sizilien 1998
Verfasser: Dr. Hanz Günter Martin
Der 5. August war ein besonderer Tag für die Campagne Ógnina 98: vor der Hafenausfahrt des kleinen Fischerortes Ógnina, südlich von Syrakus lagen vier Schiffe im Schutz der kleinen vorgelagerten Insel. Sie waren Zeuge, wie eine freudig gestimmte Ansammlung von Menschen auf eine stille Weise ein archäologisches Fest feierte: die Hebung eines steinernen Ankerstockes aus dem 5. Jh. v. Chr. Es waren Vertreter der syrakusanischen Hafenbehörde gekommen, Vorstandsmitglieder zweier historischer Gesellschaften, eine Crew des italienischen Fernsehens, Freunde sowie Archäologen und Taucher von der Sopraintendenz, vom kooperierenden syrakusanischen Tauchclub CSS und der DEGUWA.
Die Hebung des Ankerstockes mit zwei Hebesäcken aus 12 m Tiefe dauerte eine knappe halbe Stunde. Der Stock misst 1,17 m und besteht aus einem noch näher zu untersuchenden harten Sandstein - unter Wasser dachten wir gar, es sei Granit. Es ist durchaus kein unbedeutender Fund, steht er doch entwicklungsgeschichtlich auf der Grenze zwischen den ein- und den zweiarmigen Ankern und markiert ein wichtiges Verbindungsglied für die Idee vom allmählichen und nicht sprunghaften Übergang am Ende des 6. Jh. v. Chr.
Das eigentlich Spektakuläre und in dem Fall auch Erfreuliche aber liegt woanders: der Anker war uns von dem Sporttaucher Salvatore Crisafulli gemeldet worden. Die DEGUWA gräbt seit 1995 in Ógnina und wurde in der Gegend bekannt. Da ist es ein ermutigendes Zeichen, wenn ortsansässige Taucher, die die Unterwasserlandschaft von zahllosen Tauchgängen sicher besser kennen als wir, statt ihre "Beute" mit nach Hause zu nehmen, mit ihrem Wissen zu uns kommen und die Zusammenarbeit anbieten, ja sogar, wie Salvatore Crisafulli, der gleich in den CSS eingetreten ist, sich so für unser Vorgehen begeistern, dass sie auch in Zukunft mittun wollen.
Natürlich war die Bergung des Ankerstockes nicht das Einzige, was wir in den vier Wochen vom 20. 7. - 22.8.1998 unternommen haben. Hauptgrabungsziel war die vollständige Erkundung und Vermessung der sich vor der Küste hinziehenden Untiefe (Secca) zur Gewinnung eines Gesamtbildes, in das die Funde und Befunde früherer Kampagnen einbezogen werden konnten. Gleich zu Beginn der Prospektion stießen wir jedoch auf einen so reichen Fundplatz, dass dieser näher untersucht werden musste. Es handelt sich um die Havariestelle eines hellenistischen Frachters, der Wein aus Kos geladen hatte. Knapp über 200 Fragmente der für die Insel Kos typischen Transportamphoren mit den charakteristischen Doppelhenkeln belegen dies. Mit insgesamt 663 Fundobjekten war diese Fundstelle sogar die bisher reichste in Ognina.
Sodann konnte die Prospektion wieder aufgenommen werden, das hieß in dem Fall: das systematische Absuchen der Secca nach weiteren Fundplätzen und ihre Kartierung. Dieser Punkt konnte auch abgeschlossen werden. Was hier so nüchtern klingt, bedeutet in Wirklichkeit lange, geduldige und für den Taucher meist langweilige Arbeit, gilt es doch, in einem Verbund mit 3 bis 7 anderen Tauchern stur nach Kompass eine gerade Linie zu schwimmen und den Meeresboden zu kontrollieren, der meist nur zwischen Seegras und Felsboden abwechselt.
Immerhin wurde diese Arbeit fast am letzten Tag mit einem weiteren Highlight belohnt: einem Lochsteinanker von etwa 250 kg Gewicht. Es handelt sich um einen in etwa quadratischen, kissenförmig zugerichteten Felsen. In eine Ecke hat man sorgfältig ein Loch gebohrt, durch das ein Haltetau geführt werden konnte. Solche Anker hielten das Schiff allein durch ihr Gewicht und sie gehören typologisch in neolithische Zeit. Wie lange sie in Gebrauch waren, ist unklar.
Das Besondere an unserem Anker ist seine Größe und sein enormes Gewicht. Die bisher bekannten Exemplare dieses Typs sind sämtlich leichter, kleiner und daher auch von einem Mann vom Boot aus zu bedienen. Wer konnte einen Anker von 250 kg ausbringen? Wie sahen die Schiffe dazu aus?